Kammerspiel für drei Personen: ein ICE, ein Handelsreisender, ich.
Vor einigen Wochen hat mich die fiese Berliner Grippe erwischt. Hätte ich sie gleich mit den adäquaten Mitteln zur Strecke gebracht, wäre mir erstens nicht so viel Wissen aus meinem DAA-Kurs entgangen. Und zweitens ein "tolles" Erlebnis.
In einem fiebrigen Anfall beschloss ich, nach Hause in die Arme meiner mich liebenden Familie zu fahren und mich gesund pflegen zu lassen. Ich wollte ja nicht, dass man in paar Wochen meine Leiche findet (auch wenn ich keine Katzenlady bin). Um mit einer weiteren Tradition zu brechen, bin ich nicht zum Berliner Ostbahnhof gegondelt, sondern wollte vom Hauptbahnhof aus einen ICE erwischen.
Gesagt, getan. Da stand ich nun im vollen ICE Richtung Baden-Württemberg und musste mit Schrecken feststellen: Das Teil war voll... Und immer mehr Reisende drängelten sich in meinem Rücken, um noch einen einigermaßen guten Sitzplatz zu erwischen. Naja, "gut" ist wohl zuviel gesagt: Um überhaupt einen Sitzplatz zu erwischen.
Da, die Offenbarung: Ein älterer Herr, Sitz am Gang, daneben eine Tasche, die ich als geübte Bahnfahrerin auch gleich als die seine erkenne. Gibt es einen Gott, der Mitleid mit mir hat?!? Ich stürme hin, lächle freundlich (alle, die mich kennen, wissen das) und frage ihn, ob neben ihm noch frei wäre. "Ja", so die Antwort. Okeee, er hat wohl nicht verstanden, um was es geht. Ich formuliere meine Frage um und will wissen, ob ich mich auch da hinsetzen darf. "Nein". WAS? Schockiert lasse ich mich von der Menschenmenge weitertragen und finde zwei Reihen dahinter einen netten Menschen, der mir den Platz an seiner Seite für die Fahrt überlässt. Bei einem Routine-Blick in den Spiegel hab ich übrigens überprüft, ob man mir meine Erkältung auf der Nasenspitze angesehen hat. Das gleiche Ergebnis: "Nein".
Mal ehrlich, wär von Euch hätte sich das getraut? Auf eine höfliche Frage mit "Nein" zu antworten?
Isch krieg die Panik!
vor 15 Jahren